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Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? L'absolutisme, un concept irremplaçable?
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Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? L'absolutisme, un concept irremplaçable?
von: Lothar Schilling (Hrsg.)
De Gruyter Oldenbourg, 2008
ISBN: 9783486580952
240 Seiten, Download: 1534 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: B (paralleler Zugriff)

 

 
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Leseprobe

HOF UND ABSOLUTISMUS (S. 143)

Was bleibt von Norbert Elias’ Theorie?

Voyez-vous, avec l’homme à qui j’ai affaire (c’était le Roi), il faut que je me mette bas, bas, bas comme cela (montrant de la main), pour m’élever haut après1. Wenn man dem Duc de Saint-Simon vertrauen will, dem üblichen Kronzeugen aller klassischen Interpretationen des französischen Hofes unter Ludwig XIV., so waren es diese gestikulierenden Worte, mit denen der Oberkammerherr Duc de Gesvres ihm 1699 sein Amtsverständnis als einer der ranghöchsten und königsnächsten Hofwürdenträger erläuterte.

Freilich ist jenes »wenn« kein kleines Wort bei einem Autor wie diesem, der so großartig deutlich auf der Basis persönlicher Antipathien schrieb und der gerade hier hinreichenden Grund dafür hatte, die entsprechenden Passagen mit Noirceur étrange du duc de Gesvres zu überschreiben.

Saint-Simon hatte Gesvres darum gebeten, sich bei der Huldigung des Herzogs von Lothringen vor Ludwig XIV. von seinem Sohn vertreten zu lassen, damit nicht aus der Tatsache, daß der Lothringer Hut, Degen und Handschuhe in die Hand eines Oberkammerherren von herzoglichem Range geben werde, später ein zeremonieller Präzedenzfall zugunsten der in Versailles etablierten Lothringer Prinzen und zum Nachteil der französischen Herzöge gemacht werden könne.

Gesvres erklärte ihm zuerst mit den zitierten Worten die Schwierigkeiten einer solchen Verweigerung, machte ihm aber damit auch Hoffnung, er werde sich tatsächlich absentieren können.

Gleich darauf berichtete er jedoch dem Herrscher und allen mächtigen Verwandten des Lothringers spottend von Saint-Simons Ansinnen, ironisierte den petit duc als lächerlichen jugendlichen Unruhestifter und übernahm, obwohl der König das nach Intervention weiterer Herzöge gar nicht mehr verlangte, den Dienst auch während der Huldigungszeremonie, um dem Monarchen zu beweisen, wie sein treuer Diener selbst die kollektiven Ranginteressen seiner Standesgenossen dem reibungslosen Ablauf eines international sichtbaren Zeremonialaktes unterzuordnen bereit war, fünf Wochen später wurde ihm für seine unverheiratete Tochter eine jährliche Pension von 2000 écus verliehen.

Überspringen wir, wie Saint-Simon charakteristischerweise über eine Hofchargeninhaberin von seinem Unglück erfuhr, wie er drei weitere verwandte und befreundete Hofchargeninhaber noch rechtzeitig mit Richtigstellungen beauftragen konnte, um Schlimmeres zu verhüten, oder wie er darauf verzichtete, sich bei der ebenfalls wütenden, aber als oiseau de passage3 für seine Karriere unwesentlichen Herzogin von Lothringen entschuldigen zu lassen.

Überspringen wir selbst die schönen Zeremonialargumente und Präzedenzfälle aus dem 15. Jahrhundert, mit denen sich Saint-Simon später die Hut-, Handschuh- und Degen-Dienstleistung eines duc pair am Lothringer als hochmütig-überlegenes Entreißen der Herrschaftsinsignien schönredete, und kehren wir zum eingangs angeführten Zitat zurück, dessen Problematik nunmehr sichtbar genug geworden sein dürfte.

Ob Gesvres wirklich ein Mann von so entschieden serviler Gesinnung gewesen sei, wird sich kaum ermitteln lassen und muß hier auch gewiß am wenigsten interessieren. Ganz unabhängig davon erscheint das Zitat geeignet, in diesen Aufsatz einzuführen, ist es hier doch ausgerechnet der polemische Kronzeuge der Theorie vom entmachteten Adel selber, der den Weg zu einer nuancierteren Interpretation weist.

Wenn Saint-Simon mit dem Zusatz »en cela, il n’avait pas tort« seinem ärgsten Widersacher, dem verachteten und beneideten Gegner ein Bild höfischer Interaktion in den Mund legen konnte, in dem der hohe Adel am Ende aller symbolischen Unterordnung doch wieder ganz oben stand.



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