Die protestantische Erweckungsbewegung des deutschen Vormärz untersucht Jan Carsten Schnurr erstmals systematisch auf ihr Geschichtsdenken hin. Dass die Erweckten ein ausgeprägtes historisches Bewusstsein besaßen, belegt ihre umfangreiche und oft auflagenstarke Geschichtsliteratur, die hier erschlossen und interpretiert wird. Gegliedert nach den Gattungen Welt- und Nationalgeschichtsschreibung, Kirchen- und Missionsgeschichtsschreibung, Biographik sowie Apologie der biblischen Historie werden die z.T. von namhaften Führungsgestalten der Erweckungsbewegung verfassten Werke analysiert. Schnurr zeigt, dass diese Historiographie zwar Berührungspunkte zu anderen Geschichtsströmungen aufwies, sich aber nach Anlage und Selbstverständnis von Aufklärungshistorie, Historismus, Idealismus und Romantik unterschied und auch hinsichtlich ihrer Semantik und Metaphorik Spezifika entwickelte.Ein zweiter Hauptteil ist einer inhaltlichen Analyse des vermittelten Geschichtsbildes gewidmet. Mittels Detailanalyse von C.G. Barths »Allgemeiner Weltgeschichte nach biblischen Grundsätzen« von 1837 sowie thematischer Querschnitte auf breiter Quellenbasis arbeitet Schnurr historische Argumentationsfiguren und Deutungsmuster heraus. Wie verhielten sich im Denken der Erweckten Weltgeschichte und Heilsgeschichte zueinander und wie versuchte man, im Licht des »Reiches Gottes« Religions- und Zivilisationsgeschichte zu deuten? Wo vermittelte die Geschichte nationale oder transnationale Identitäten und politische Ideale, wo zeigte sie Vorbilder und Abwege auf? Wie bewertete man die Revolutions- und Beschleunigungserfahrungen seit 1789?
Dr. Jan Carsten Schnurr ist Hochschuldozent für Historische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule Gießen sowie Mitglied im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands, im Verein für württembergische Kirchengeschichte und in einigen kirchengeschichtlichen Arbeitskreisen. |