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Außenpolitik in defekten Demokratien - Entscheidungsprozesse in der Türkei 1983–1993
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Außenpolitik in defekten Demokratien - Entscheidungsprozesse in der Türkei 1983–1993
von: Gülistan Gürbey
Campus Verlag, 2005
ISBN: 9783593374727
397 Seiten, Download: 1781 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
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Leseprobe

III. Politische Entscheidung über den Antrag auf EG-Vollmitgliedschaft vom April 1987 (S. 104-106)

1. Einführung: Stockende Beziehungen zwischen der EG und der Türkei

Zwei Faktoren determinieren traditionell die türkische Europa-Politik und sind grundlegend für die Bemühungen der türkischen Eliten, Teil Europas zu werden: Das Verwestlichungsprojekt und Griechenland. Die Beziehungen mit der EG (bzw. heute EU) sind nicht nur von wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, sondern stellen für die Türkei auch eine Frage der Identität dar. Die Türkei befindet sich seit mehr als 150 Jahren in einem Verwestlichungsprozess. Seit Gründung der Republik besteht das Verwestlichungsprojekt darin, Teil des westlichen Bündnisses und der westlichen Institutionen zu werden. Mit dieser Definition verbindet sich der Glaube an eine zivilisatorische und wirtschaftliche Entwicklung und die Konsolidierung der Demokratie. Die Entscheidungsträger legten sich auf eine Modernisierung und Entwicklung fest, die nur mit dem Westen und wie im Westen vonstatten zu gehen haben.

Die Zugehörigkeit zur EG war eine logische Konsequenz dieses Verwestlichungsprozesses.  Neben dem Wunsch, Teil der westlichen Zivilisation zu werden, waren zwei weitere Motive ausschlaggebend für die Bemühungen um Mitgliedschaft im westlichen Bündnis und in der EG: zum einen sicherheitspolitische Besorgnisse der Türkei und zum anderen die Erwartung, Hilfe für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu erhalten. Die Mitgliedschaft in diesen Gremien bedeutete für die Türkei eine bessere Gewährleistung der eigenen Sicherheit und der wirtschaftlichen Entwicklung. Der Faktor Griechenland spielte eine besondere Rolle beim Antrag auf EG-Vollmitgliedschaft. Die Eliten im türkischen Außenministerium waren der Überzeugung, dass in Anbetracht des griechisch-türkischen Konkurrenzverhältnisses die Türkei ebenso Mitglied in allen Institutionen zu sein habe, deren Mitglied Griechenland ist. Ausschlaggebend für diese Sichtweise war die Befürchtung, dass Griechenland in allen Gremien, in denen die Türkei nicht ver-treten war, die Möglichkeit habe, diese gegen die Türkei zu instrumentalisieren. Für die EG hatten beide Staaten im Kalten Krieg eine strategische Bedeutung, weshalb sie dem griechischen und türkischen Antrag auf Vollmitgliedschaft positiv gegenüberstand. Im Kalten Krieg nahm die strategische Bedeutung der Türkei zu, und die politischen Bedingungen harmonierten mit den Bemühungen Ankaras, Teil des westlichen Bündnisses zu werden. Zwischen 1970 und 1980 entstand hingegen eine Disharmonie zwischen der Dynamik der EG und den Entwicklungen in der Türkei. In dieser Zeit standen wirtschaftliche Fragen und die Zollunion im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Das Assoziationsabkommen (auch »Vertrag von Ankara« genannt) vom 12. September 1963 sah eine Vorbereitungs-, eine Übergangs- und eine Endphase vor. Die Einigung über die zweite Phase verlief problematisch. Die Phase der Ratifizierung und der Umsetzung des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen wurde zum Indikator für den Beginn einer Disharmonie in den Beziehungen zwischen der Türkei und der EG. Diese wurden von neuen interna tionalen Entwicklungen wie der Ölkrise, der Entspannung im Ost-West-Konflikt und dem Zypern-Konflikt zunehmend beeinflusst. Seit 1980 traten politische Fragen, insbesondere Demokratie und Menschenrechte, zunehmend in den Vordergrund. Diese Disharmonie ließ sich nicht vollständig ausräumen.

Die Auflösung des Ost-West-Konfliktes wirkte sich auf die türkische Außenpolitik beträchtlich aus, indem sich die Möglichkeiten zur Regionalisierung der Außenpolitik und zu einer neuen Regionalpolitik erweiterten. Mit dem Ende des Kalten Krieges nahm die geopolitische Bedeutung der Türkei im Ost-West-Konflikt zunächst ab. Dieser Umstand bereitete den türkischen Eliten große Probleme. Die Ängste hinsichtlich des sinkenden strategischen Wertes der Türkei wandelten sich jedoch im zweiten Golf-Krieg. Nunmehr ging es darum, eine neue strategische Rolle zu formulieren, die sich nicht mehr in der Ost-West-Dimension begründete, sondern in der regionalen Lage der Türkei. Somit stellte der Golf-Krieg einen Wendepunkt bei den Bemühungen der türkischen Entscheidungsträger dar, die Integration der Türkei in die internationale Politik zu erreichen.



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